BELLA DONNA und akzept NRW: Für eine gendersensible und diversitätsorientierte Suchthilfe

BELLA DONNA und akzept NRW: Für eine gendersensible und diversitätsorientierte Suchthilfe

Autorinnen: Felia Ricke (BELLA DONNA) & Jessica Czok (akzept NRW)

Am 5. September 2025 fand im Rahmen der Regionalgruppen-Treffen von akzept NRW ein Fachvortrag zum Thema „Gender und Sucht mit dem Fokus auf Frauen“ statt. Referentin war Felia Ricke von der Landesfachstelle Familie, Geschlechtervielfalt und Sucht BELLA DONNA der Suchtkooperation NRW.

Im Vortrag wurde deutlich, dass Sucht nicht losgelöst von Geschlechterrollen betrachtet werden kann. Frauen*, die Substanzen konsumieren, stehen häufig vor besonderen Herausforderungen, die durch gesellschaftliche Erwartungen, Rollenzuschreibungen und strukturelle Barrieren geprägt sind. Während Männer Substanzen häufiger im öffentlichen Raum nutzen, um Stärke oder Zugehörigkeit zu demonstrieren, greifen Frauen meist im Verborgenen zu Suchtmitteln, etwa um Leistungsfähigkeit zu sichern, Schönheitsideale zu erfüllen oder Belastungen zu kompensieren (Bernard, C. 2016).

Besonders belastend sind für viele suchtbetroffene Frauen zusätzliche Verantwortlichkeiten in Familie und Partnerschaft sowie ein überdurchschnittlich hohes Risiko für sexualisierte Gewalt und Traumatisierungen. Diese Faktoren verstärken die Wahrscheinlichkeit einer Suchterkrankung und erschweren den Zugang zu Hilfe (Gahleitner, S. 2008).

Das bestehende Suchthilfesystem ist historisch stark auf cis-Männer ausgerichtet. Dadurch werden die Bedarfe von Frauen, queeren Personen sowie insbesondere trans, inter und nicht-binären Menschen oftmals nicht angemessen berücksichtigt. Ricke betonte daher die Notwendigkeit gendersensibler und diversitätsorientierter Angebote, die Teilhabe ermöglichen und spezifische Lebensrealitäten in den Blick nehmen.

Abschließend wurde hervorgehoben, dass wissenschaftliche Daten vor allem zur Situation von cis-Frauen vorliegen, während für trans, inter und nicht-binäre Personen weiterhin erhebliche Forschungslücken bestehen.

Die Auseinandersetzung mit Gender und Sucht knüpft unmittelbar an das Leitbild von akzept NRW an. Der Verband versteht sich als Interessenvertretung für eine akzeptierende Drogenarbeit, die Menschenrechte stärkt, Selbstbestimmung respektiert und Gesundheitsschutz fördert. Zentral ist dabei der Einsatz gegen Diskriminierung und soziale Ausgrenzung sowie die Entwicklung von Angeboten, die an den tatsächlichen Lebenssituationen der Betroffenen orientiert sind. Vor diesem Hintergrund ist eine gendersensible und diversitätsbewusste Suchthilfe für akzept NRW unverzichtbar, um Solidarität zu leben, Chancengerechtigkeit herzustellen und allen Menschen den Zugang zu passgenauer Unterstützung zu ermöglichen.

Das Wissen um die Lebenslagen von Frauen und queeren Menschen bearbeitet die Landesfachstelle Familie, Geschlechtervielfalt und Sucht BELLA DONNA der Suchtkooperation NRW kontinuierlich in Form von Fachvorträgen und weiteren Angeboten. Informationen zu aktuellen Veranstaltungen finden sich unter:

https://www.landesfachstelle-belladonna.de/aktuelles-und-veranstaltungen/

Queere Menschen sind in besonderer Weise von Marginalisierung betroffen, was den Substanzkonsum als Bewältigungsstrategie begünstigen kann. Gleichzeitig fehlen repräsentative Daten, da bisherige Studien meist auf hochselektiven, urbanen Stichproben beruhen – ein Umstand, der die Entwicklung passgenauer Hilfsangebote erschwert (Wolf, G. 2017).

Aus diesem Grund führt die Landesfachstelle derzeit eine Umfrage durch, um weitere Perspektiven und Erfahrungen in die Facharbeit einzubeziehen und bestehende Lücken im Hinblick auf die Bedarfe queerer Menschen zu schließen:

https://belladonna-umfrage.de/

Frauen*: Wissenschaftliche Daten liegen vor allem zur Situation von cis-Frauen vor.  Für trans, inter und nicht-binäre Personen bestehen weiterhin erhebliche Forschungslücken.


Quellen und weiterführende Literatur:

Bernard, C. (2016): Gender und illegale Drogen: ein Überblick. In: Bernhard, Christiane und Martina Tödte (Hrsg.): Frauensuchtarbeit in Deutschland. Transcript-Verlag, 15-44.

Canevascini M. und Kleinhage E. (2023). Stimmen von Müttern mit Suchterkrankung. Stigmatisierung,Herausforderungen und Empfehlungen. Lausanne : Sucht Schweiz.

Covington, S. (2008): Frauen und Sucht, ein traumasensibler Ansatz. In: Gahleitner, Silke Brigitta und Connie Lee Gunderson (Hrsg.): Frauen, Trauma, Sucht. Neue Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen. Ansager Verlag, 21-43.

Gahleitner, S. (2008): Sexuelle Gewalterfahrung und ihre Bewältigung von Frauen: Salutogenetische Perspektiven. In: Gahleitner, Silke Brigitta und Connie Lee Gunderson (Hrsg.): Frauen, Trauma, Sucht. Neue Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen. Ansager Verlag, 45-64.

Heinzen-Voss, D. und Stöver, H. (Hrsg.): Geschlecht und Sucht: Wie gendersensible Suchtarbeit gelingen kann. Pabst-Verlag.

Korte-Langner, S. (2023): Drogengebrauchende, der Sexarbeit nachgehende Frauen - von der Notwendigkeit frauenspezifischer Schutzräume. In: Lieb, C. und Stöver, H. (Hrsg.): Gender. Frau. Sucht.: Genderfragen in (post-) Corona-Zeiten. Pabst-Verlag, 39-50.

Kost, C. und Schiano, D. (2023): 4Be TransSuchtHilfe -Geschlechtliche Vielfalt in der Suchtberatung. In: Lieb, C. und Stöver, H. (Hrsg.): Gender. Frau. Sucht.: Genderfragen in (post-) Corona-Zeiten. Pabst-Verlag, 50-60.

Pfister, A. (2013): Gendersensibel-diversityorientierte Suchtprävention. Grundlagen und Checkliste für den Schulkontext. Zürich, Suchtpräventionsstelle der Stadt Zürich.

Schigl, B. (2018): Psychotherapie und Gender. Konzepte. Forschung. Praxis. Welche Rolle spielt die Geschlechtszugehörigkeit im therapeutischen Prozess? Springer-Verlag.

Tödte, M. (2016): Einflüsse der feministischen Arbeit auf die Suchthilfe in Deutschland. In: Bernhard, Christiane und Martina Tödte (Hrsg.): Frauensuchtarbeit in Deutschland. Transcript-Verlag, 89-100.

Wolf, G. (2017): Substanzgebrauch bei Queers, Dauerthema und Tabu. Reihe: Hirschfeld-Lectures Bd. 12.